Warum und wie schnell mutiert das Corona-Virus?

Mutationen treten bei allen Viren auf. Ursache hierfür sind Kopierfehler, die bei ihrer Vermehrung in den „Wirtszellen“ auftreten und die dann von ihren Nachkommen weitergetragen werden. Bei RNA-Viren wie dem Corona-Virus treten Mutationen sehr häufig auf, da sie Reparaturmechanismen nicht nutzen können (s. u. Abbildung).

Abbildung: Nachstellung von RNA-Mutationen im Reagenzglas. Ein Medium, das RNA-Replikase und -polymerase zur Virusvermehrung enthält, wird Virus-RNA zugeführt. Nach kurzer „Einwirkzeit“ wird ein Teil in ein zweites Reagenzglas überführt. Hierdurch werden die zuerst vollendeten RNA-Moleküle selektiert. Nach über 70 Transfers beträgt die Länge der RNA-Mutante weniger als 20% des Ursprungstyps. Quelle: L. Stryer, Biochemie, Ausgabe dtsch. 1990, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg, S. 900.

Das Sars‐Cov‐2‐Virus mutiert durchschnittlich etwa einmal im Monat.

Bedeutung der Mutationen

Ein Großteil der bisherigen Mutationen sind bedeutungslos und zeigen keine signifikant höhere Ausbreitungsgeschwindigkeit oder Gefährlichkeit des Erregers. Allerdings können sich Mutanten entwickeln, die gefährlicher sind als die ursprünglich übertragene Version. Daher ist es wichtig, die Entwicklung der Virusvarianten genau zu verfolgen.

Das RKI veröffentlicht wöchentlich hierzu aktuelle Daten zu besorgniserregenden Virusvarianten (VOC = Variants of Concern) und Varianten, die unter besonderer Beobachtung stehen (VOI = Variants of Interest) [4a]. Im Fokus stehen risikorelevante Eigenschaften wie Übertragbarkeit, Virulenz, oder die Empfindlichkeit des Erregers gegenüber der Immunantwort von genesenen oder geimpften Personen. Den ausführlichen Wochenbericht des RKI finden Sie hier: Wochenbericht des RKI zu COVID-19 . Einen Überblick über die aktuell von der WHO gelisteten VOC ist im nachfolgenden Unterkapitel „Monitoring der Mutationen“ veröffentlicht.

Mit Blick auf zurückliegende Pandemien in der Menschheitsgeschichte ist es ebenfalls denkbar, dass das Virus zu einem friedlichen Gleichgewicht mit dem Menschen findet und beispielsweise zu einem harmlosen Erkältungsvirus mutiert.

Angesichts von Impfungen und sich ausbreitender Abwehrkräfte bei Menschen, welche die Infektion überstanden haben, wird der Selektionsdruck auf das SARS-Cov-2-Virus deutlich erhöht. Hierdurch wird die Ausbreitung vorteilhafter Mutationen begünstigt.

Monitoring der Mutationen

Die Verfolgung der Mutationsgeschwindigkeit und eventueller Veränderungen in der krankmachenden Wirkung ist für eine zeitnahe Risikobewertung von wesentlicher Bedeutung. In der zentralen Datenbank GISAID sammeln Wissenschaftler seit Beginn der Pandemie die Ergebnisse zu Erbgutanalysen aus Virenproben. Mittlerweile enthält die Datenbank mehr als 16.000 Genomsequenzen für SARS-CoV-2.

Den Stammbaum mit allen bisher bekannten Virusvarianten finden Sie auf der folgenden Webseite (hierzu bitte direkt auf das untere Bild klicken)

Abbildung: Stammbaum und Verbreitungswege von SARS-CoV-2. Quelle: Nextstrain.

Mutationsvergleiche zu anderen Viren zeigen, dass SARS-CoV-2 grundsätzlich kein besonders schnell mutierendes Virus ist. Vielmehr erklärt sich die große Anzahl an Mutationen durch hohe Infektionszahlen und die Ausbreitungsgeschwindigkeit.

Gleichzeitig zeigen die Daten, dass das Virus in Wuhan seinen Ursprung hatte und Erstinfektionen dort vermutlich zwischen Mitte Oktober und Anfang Dezember 2019 stattgefunden haben.

Aktuell werden von der WHO folgende VOC, also Virusvarianten mit besorgniserregenden Eigenschaften gelistet [4b]:

WHO-
Label
Bezeichnung
gem. PANGO [4c]
Früheste Proben-
Dokumentation
Kritische
Variantenmerkmale
AlphaB.1.1.7Großbritannien,
September 2020
– Höhere Übertragbarkeit als vorherige
Varianten zirkulierenden Varianten.
– Aufgrund höherer Reproduktionszahl
schwieriger eindämmbar.
– Hinweise auf erhöhte Sterblichkeit in
allen Altersgruppen vorhanden.
– Keine verringerte Wirksamkeit der
verfügbaren Impfstoffe.
– Im Frühjahr 2021 in Europa
vorherrschende Variante; derzeit nur
noch in wenigen Fällen nachgewiesen.
BetaB.1.351Südafrika,
Mai 2020
– Höhere Übertragbarkeit angenommen.
– Hinweis auf geringeren Impfschutz bzw.
Schutz von Genesenen (nach
überstandener Infektion mit der
Ursprungsvariante).
Gamma S.1Brasilien,
November 2020
– Höhere Übertragbarkeit angenommen.
– Hinweis auf geringeren Impfschutz bzw.
Schutz von Genesenen (nach
überstandener Infektion mit der
Ursprungsvariante).
Delta B.1.617.2Indien,
Oktober 2020
– Höhere Übertragbarkeit
– Reduzierte Immunantwort.
– Hoher Schutz vor schweren
Krankheitsverläufen bei vollständiger
Impfung. Reduzierter Schutz gegen
milde Verläufe bei unvollständiger
Impfserie.
– Derzeit in Europa vorherrschende
Variante.
OmikronB.1.1.529Div. Länder,
November 2021
– Ungewöhnlich hohe Anzahl von
Mutationen (Veränderungen) am Spike-
Protein (ca. 30 Aminosäuren).
– Enthält Mutationen, die bei früheren
besorgniserregenden Virusvarianten
zu höherer Übertragbarkeit, geringerer
Immunantwort und abgesenktem
Schutz nach Impfung oder Genesung
geführt haben.
– Viele der Veränderungen bei dieser
Variante sind hinsichtlich ihrer
Auswirkungen auf die Eigenschaften
des Erregers derzeit ungeklärt.
Übersicht zu den von der WHO als besorgniserregend eingestuften Varianten des Sars-Cov-2-Virus. Stand: 19.12.2021 [4a, b]

Quellen:

[4a] RKI, Web-Publikation Stand 09.12.2021, Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC). RKI – Coronavirus SARS-CoV-2 – Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC)

[4b] WHO, Web-Publikation Stand 19.12.2021, Tracking von SARS-CoV-2 Varianten. Tracking von SARS-CoV-2 Varianten (who.int)

[4c] PANGO-Nomenklatur der Sars-Cov-2-Virusvarianten, Web-Publikation. Cov-Linien (cov-lineages.org)